Wahn und Sinn

Wahn und Sinn

vor 7 Jahren und 79 Tagen

Immer häufiger spüre ich den Wahnsinn. Ich ertappe mich dabei zu warten. Auf den Augenblick, in dem meine Mauern ganz zart und durchdringbar sind. Wie ein Jäger auf seine Beute, lauere ich auf diesen Moment. Und dann versuche ich mich einzufangen.

Tagsüber lenke ich mich ab. Ich beruhige mich mit Tätigkeiten, die dem Tag entsprechend als allgemein gängig sind. Doch in Wirklichkeit sehne ich mich nach mir und nach der Ruhe mit mir selbst.

Es gelingt mir nicht, mich zu verstehen. Ich bin unruhig. Mein Innerstes ist so gerädert, dass es mir seltsam erscheint Lebenslust zu verspüren. Möglicherweise ist es aber auch nur die Neugierde nach dem Morgen, die mich noch hält.

Meine Fingerkuppen pulsieren so deutlich unter den abgekauten Nägeln, wie die Wunden im meinem Gesicht brennen.

Wie lächerlich der Vorgang überhaupt ist: ich kratze mich in Selbstvergessenheit bis aufs Blut. Ich dringe mit einer solchen Heftigkeit durch die Hautschichten, dass ich sie platzen höre.

Das Brennen und Pulsieren meiner Wunden beweisen die Grenzen und Umrisse meiner Körperlinie. Vielleicht bedeuten sie eine Möglichkeit zum Entweichen meiner Seele.

Was soll sie denn auch anderes verlangen?

Aus mir noch nicht Begreifbaren heraus fügt und füllt sie den Körper. Gekettet an eine der Schwerkraft unterworfene Form. Die Angst, ohne den Körper kein Dasein fortführen zu können, unterwirft die Seele und verlangt ihm Fähigkeiten ab, die ihr, meiner Seele, so bedeutungslos erscheinen, da der Sinn nicht auffindbar ist.

Intuitiv, weil ohne Relationen, fühlen sich die Kinder nicht fremd, während ich sitze und in weiten Sphären versinke. Es kümmert sie nicht.

Ich bin schon so viele Jahre auf der Erde. Als Mensch.

Und dennoch schaue ich auf die noch sehr jungen Gesichter und fühle mich so klein und fühlend, wie damals.

Das Damals ist eine Zeit. Es ist eine Zeit der Erwartung und der Unbeschwertheit.

 

K.C.